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Reiseberichte unterwegs in der Welt unterwegs in der Zeit

Rotterdam - Paris - Los Angeles

16.05.2007

»Rotterdam wird für die Architektur mehr und mehr zu dem, was Paris für die Mode und Los Angeles für das Entertainment ist.«

Zitiert die Zeit die New York Times (http://www.zeit.de/2007/12/Rotterdam)

 

Als waschechter Kunstbanause frage ich mich natürlich, ob dieses Lob mit Hintersinn geschrieben wurde. Schließlich ist das Erdenzentrum der Mode nicht Paris sondern nach wie vor Bregenz und mein einziger Aufenthalt in Los Angeles war gekennzeichet von einer polaren Mischung aus ungewolltem und zwanghaftem Entertainment. Als weltgewandter Geschäftsreisender war ich zum Beispiel dem naiven Gedanken aufgesessen, Little Tokyo aufzusuchen und dort Japanese Village Plaza sowie dem Denkmal des ersten japanisch-amerikanischen Astronauten Ellison S. Onizuka einen Besuch abzustatten. Ungewollt unterhaltsam war die Ödnis und Hässlichkeit dieses interkulturellen Glanzstücks. 

Zwanghaft wiederum waren die Entertainmentbemühungen der Universal Studios wie auch der fantastisch überdekorierten Parties mit Cocktails, deren Namen mir meist unbekannt waren - leider völlig zu Recht! Atemberaubend allerdings waren ein paar Museen. Das Getty Museum in Los Angeles ist allein die Reise wert!

Ob nun ein amerikanisches Revolverblatt Hintersinniges schreiben kann, mag so oder so gesehen werden. Selbst wenn es sich mit der New York Times um eines der besseren Blätter handelt. Aber absichtlich oder versehentlich: Vielleicht wurde mit Rotterdam in's Schwarze getroffen!

 

Man muss nicht mal der deutschen Ausgabe des unfehlbaren Universallexikons Wikipedia vertrauen, welches behauptet: »Niederländische Architektur hat seit den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts und immer noch fortdauernd einen erheblichen Einfluss auf die weltweite Architekturentwicklung genommen.«

Es hilft ein Blick nach Südafrika. Viele der herrlichsten Bed and Breakfast Häuser sind von Niederländern gebaut und betrieben oder standen Vorbild für andere Kap-Häuser. Mit dieser tiefsinigen und möglicherweise falschen Erkenntnis ausgestattet, fällt es auch dem einfachen Gelegenheitsstauner leicht, sich von der Architektur der Niederländer den Atem rauben zu lassen. Das kann man überall.

 

Der Rotterdamer Architekt Rem Koolhaas ist weltweit tätig. Das Casa da Música in Porto würde ich gerne mal aus der Nähe betrachten. Für sein Central Chinese Television Headquarters muss man eine lange Reise in Kauf nehmen und außerdem noch bis zur Eröffnung der Olympischen Spiele 2008 warten. Kein zu hoher Preis und zusätzliche Motivation für meine Qualifikationsbemühungen. In der Disziplin Turmspringen sollte ich beste Chancen auf einen guten Blick haben, bevor ich elegant und kraftvoll vom 10-Meter Turm dem olympischen Sieg entgegenspringe. Den Rückflug habe ich bereits über Seoul gebucht. Das Seoul National University Museum darf man sich nicht entgehen lassen. Da ich anschließend meine Sportkarriere beenden werde, spiele ich mit dem Gedanken, mich an dem Illinois Institute of Technology einzuschreiben. Der von Rem Koolhaas entworfene McCormick Tribune Campus Center wird mir Erholung bieten, wenn ich mit den Kommilitonen aufgeregt den Studienschwerpunkt Mobiltelefonbedienung diskutiere.

Rem Koolhaas wird in einem Atemzug mit Vertretern des Dekonstruktivismus genannt. Die Macher dieser schmauligen Webpräsenz wurden bereits unwissentlich in den Bann einiger Werke von Vertretern dieser Stilrichtung gezogen. Im März kam Birgit mit leuchtenden Augen aus Bilbao zurück. Trotz engem Zeitplan hatte sie es für zwei Stunden in das dortige weltbekannte Guggenheim-Museum geschafft. Das Jüdische Museum Berlin von Daniel Libeskind konnten wir sogar noch mit komplett leeren Räumen erleben.

 

Was nun Rotterdam angeht, ist es zuerst nicht einfach, in Begeisterung zu verfallen. Mit Kop van Zuid und der Erasmusbrücke wird sicherlich Freude am Zuschauen entfacht. Außerdem ist die Bautätigkeit groß. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Rotterdam weitgehend zerstört. Die Gebäude aus dieser Zeit werden nun in umfangreichen Projekten ersetzt. Außerdem sollen endlich vermehrt anspruchsvollere Wohnmöglichkeiten angeboten werden. Das scheint auch notwendig, der Standard ist teilweise recht niedrig.

Vielleicht liegt die New York Times mit Rotterdam richtig. Eine kräftige Dynamik konnte selbst ich spüren. Ich bin gespannt, wie diese Stadt in ein paar Jahren aussieht. Das sehe ich mir an!

 

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(c) www.schnupsi.de Donnerstag 23 Juli 2009