613x115_20040403_cn_peking_030
 
Reiseberichte unterwegs in der Welt unterwegs in der Zeit

Woche 3 - 13. April 2004 (Bilder!)

Zum Abschluss des 1. Peking Aufenthalts: Dienstag 13. April 2004

Noch mehr sehen

 

Auch am zweiten Wochenende hier haben wir unser Kulturprogramm fortgesetzt und diverse Sehenswürdigkeiten besichtigt. Jede dieser Tempelanlagen für sich gesehen ist wirklich recht eindrücklich in Bezug auf die Architektur und die farbliche Gestaltung, aber ehrlich gesagt, ist es irgendwann dann doch repetitiv...

 

Chinesische Mauer

Sonntag waren wir alle gespannt auf die Grosse Mauer. Und die war auch wirklich sehr eindrucksvoll. Könnt Ihr Euch vorstellen, dass die Chinesen bereits 2000 v.Chr. an der Mauer bauten und diese sich zu ihren besten Zeiten über 10.000 km durch das Land zog? Wir haben nur einen kleinen, gut restaurierten Abschnitt bei Badaling besichtigt, aber der war wirklich imposant. Die meisten Abschnitte sind extrem steil, die Berghänge sind dort bis zu 1000 Meter hoch. Ganz China schien an diesem Tag hier zu Besuch zu sein, so voll war es.  Am Nachmittag besuchten wir noch ein Grab eines Kaisers aus der Ming Dynastie (wieder die gleichen Tempel, Dächer und Innenhöfe) und dann ging es zurück nach Peking, wo auch sonntags der Verkehr überall katastrophal ist. 

 

Zu Gast im traditionellen Stadtviertel Hutong

Außerdem wollten wir unbedingt noch eines der alten traditionellen Stadtviertel (Hutong) anschauen. Per Fahrrad-Rikscha ging es durch das Viertel, das sein Überleben nur dem Tourismus verdankt, sonst wären diese Gassen schon längst platt gemacht worden, um Hochhäuser darauf bauen zu können.

Die Miete für eine Wohnung hier kostet nur 8 € im Monat. Dafür leben drei Menschen in zwei kleinen Zimmern (vielleicht 20 qm), die nur ein Waschbecken haben um sich, die Wäsche und das Geschirr zu waschen. Die Toilette befindet sich in 100 Meter Entfernung auf der Strasse. Aber immerhin hatte die Familie, die wir besuchten schon einen Kühlschrank, einen Fernseher und ich glaube auch, einen PC erspäht zu haben.

Die beiden Gastgeber waren bereits im Ruhestand. Noch können sie von ihrer Rente recht gut leben. Wie die Altersversorgung in Zukunft gesichert werden kann, ist mir aber unklar. Man rechnet damit, dass im Jahr 2025 mehr als 20 % der Bevölkerung über 65 Jahre alt sein werden. Da kommen ganz schöne Herausforderungen auf die Sozialkassen zu...

Wenn wir schon beim Thema Städte und Bau waren: Die Urbanisierung der chinesischen Bevölkerung ist in ganz China nicht mehr aufzuhalten. Über 40% der Chinesen leben heute bereits in den 660 Großstädten des Landes. 182 dieser 660 Städte planen übrigens, sich in eine internationale „Metropolis“ zu wandeln. Alle eifern dem Vorbild Shanghais nach, eine Stadt, die sich täglich selbst übertrifft. Dazu tragen neuerdings der Fernsehturm, Asiens höchstes Gebäude und ein neues Bürohochhaus mit 88 Stockwerken bei.

In den letzten 20 Jahren war deshalb Abriss von alten Stadtvierteln wie den Hutongs die Hauptpriorität für viele Kommunen, denn man fand, dass die alten Strukturen den wirtschaftlichen Aufschwung behinderten.

Generell sucht man aber noch nach dem passenden Stil für die städtebaulichen Erneuerungen. Einer Stararchitekt (der von europäischer Kultur/Geschichte wohl keine Ahnung hat) hat das so dargestellt: „Unlike American and European culture, Chinese culture has a very long and mixed history and it will be a complicated and demanding task to set architectural priorities that will ensure the preservation of design elements that embody the best values of the culture.“

Man kann also gespannt sein, ob diese Gradwanderung aus Erhaltung der kulturellen Wurzeln und radikaler Modernisierung des Stadtbildes gelingen wird.

 

Bauwahn in Peking

Noch eine Ergänzung zum Thema „Bauwahn in Peking“: Jetzt wird eine riesige Ski-Anlage im Park des Botschaftsviertels gebaut. Die steht dann gleich neben dem gigantischen Golfresort. Kein Wunder, dass ich vor lauter Baustelle den Park nicht mehr gefunden habe...

 

Nachdem Ihr alle über das Wetter klagt, hier das Kontrastprogramm: Wettertechnisch ist es hier wirklich ziemlich schön. Es wird täglich wärmer und die Sonne scheint fast jeden Tag (manchmal auch nur hinter einem dichten Dunstnebel). Die wenigen Bäume werden grün, die Sträucher beginnen bunt zu blühen.

Die Chinesen lieben übrigens bunte Farben. Und deshalb ist hier auch alles bunt, insbesondere die Werbung. Damit ist die Stadt ziemlich übersäht. Jede Freifläche und jede Häuserwand wird genutzt, um große Leuchtreklamen anzubringen. Das klingt zwar ziemlich schlimm, ist für unsere Augen allerdings recht verträglich, denn dank der hübschen chinesischen Schriftzeichen und der bunten Leuchtröhren sieht es wirklich dekorativ aus.

 

Eine Sprache - nur eine!

Nur die allerwenigsten Dinge sind auch in Englisch angeschrieben. Das macht es manchmal etwas kompliziert, ein Restaurant oder eine Bar als die richtige zu identifizieren. Aber meist nehmen wir ja sowieso das Taxi... Dafür versteht nicht jeder Taxifahrer Englisch und so ist es kein Fehler gewesen, gleich zu Beginn die chinesische Aussprache für „Kempinski Hotel“ zu lernen, etwa so „Geibinssshi“.

Noch eine nette Ergänzung zum Thema „Chinesisch für Anfänger“: Beim Antrittsbesuch bei der Schwiegermutter sollte man als Mann übrigens sehr vorsichtig sein, denn die korrekte Anrede „Mama“ bedeutet bei falscher Aussprache dummerweise „Pferd“, was sicher nicht so freundlich aufgenommen wird.

 

Frühsport

Um den Sport nicht völlig zu vernachlässigen, gehe ich morgens manchmal zum Laufen am Fluss. Ich muss zwar schon um 6.30 Uhr aufstehen, aber an windstillen Tagen ist das Wasser ganz spiegelklar und die Sonne scheint hier ja fast immer. Leider ist die Strecke auf 40 Minuten begrenzt, danach kommt wieder Großstadtdschungel, aber immerhin. Für die Sauberkeit auf den Strassen sorgen jede Menge Besenkehrer die den Schmutz dann auf ihren Pferdewagen oder auf Fahrradanhängern abtransportieren.

Laut Stadtplan sollte es einen Park in der Umgebung des Hotels geben. Ich hab daraufhin das gesamte Stadtviertel großflächig durchkreuzt und bin zu dem Schluss gekommen, dass statt des Parks jetzt eine Luxuswohnanlage mit Golfplatz gebaut wird.

Beim Joggen trifft man einige Chinesen, die sich mit Seilspringen, Tai Chi, Singen oder Meditation „aufwecken“ wollen. Auf der Strasse trifft man übrigens nur selten einen Hund und seinen Besitzer an. Woran das nur liegen mag??? Wenn die Chinesen sich aber mal ein Haustier halten, dann ist es fast immer ein „Pekinese“.

Meine Bekanntschaften beim morgendlichen City-Jogging beschränken sich bislang auf kleine Kinder, die mir freundlich zulächeln und winken und sich freuen, dass so eine große blonde Frau vorbeiläuft. Das ist doch besser als gar kein Fanclub... Die älteren Damen, die ihre Pekinesen entlang der Laufstrecke ausführen, grüßen mich ebenfalls bereits freundlich. Ein Seitenarm des Flusses führt übrigens in den Embassy District und ist sehr edel, der andere leider in ein normales Wohnviertel und der gleicht eher einer Kloake. Aber an die Geruchsbelästigung muss man sich selbst im Büro gewöhnen, da riecht es auch oft nach Klo. Hmm.

Die kommunistischen Wurzeln erkennt man immer noch: Vor nahezu jedem Gebäude, egal ob Wohnhaus, Hotel oder Restaurant, stehen übrigens mindestens zwei Uniformierte und passen auf, dass nur „autorisierte“ Personen Zugang haben. So kann man zwar für den Moment sicherstellen, dass alle (gut) beschäftigt sind. Auf Dauer wird allerdings auch das nicht mehr ausreichen: Um dem Bevölkerungswachstum gerecht zu werden, müssten nämlich jährlich 12 Mio. neue Jobs geschaffen werden. Dabei leben heute bereits bis zu 150 Mio. Menschen in den großen Zentren Chinas, die keine Arbeitsplatzsicherheit haben. Ob sich Firmen wie Siemens, die am liebsten die Mehrzahl ihrer Jobs hierher verlagern würden, diesen Problemen bewusst sind?

 

Liebe

Zhang, unser Projektleiter erzählte gestern noch von seiner Tochter, die gerade 13 ist. Janina fragte dann gleich, ob sie schon einen Freund hätte. Für Chinesen ist das allerdings völlig undenkbar: Bis ein Mädchen die Uni beendet (also etwa 25 Jahre alt ist) ist jede Freundschaft zu einem Jungen überhaupt nicht vorgesehen. Die meisten heiraten dann natürlich gleich ihren ersten Freund. Dass man bereits vor der Ehe oder ohne Trauschein zusammen leben könnte ist ebenfalls nicht vorgesehen. Natürlich ändern sich besonders in diesem Punkt die Dinge gerade sehr schnell.

Bis vor kurzem war übrigens zwingend vorgeschrieben, dass man vor der Eheschließung einen Gesundheits-Check machen musste. Wurde dabei entdeckt, dass der Partner einen Herzfehler o.ä. hatte, wurde empfohlen, den Heiratswunsch nochmals kritisch zu überdenken.

Das Schönheitsideal von Asiaten und Europäern ist allerdings nicht ganz kompatibel. Die Mädchen, welche wir hier süß finden, gefallen unserem Projektleiter im Zweifelsfall gar nicht. Er erzählte auch, dass Chinesen sich häufig darüber lustig machen, dass Ausländer immer nur die hässlichen chinesischen Frauen heiraten. Die entsprechen dann wohl eher dem europäischen Geschmack...

Janina hat übrigens wieder mal einen Brüller losgelassen. Uns ist aufgefallen, dass die meisten Chinesen nicht gerade sehr hübsch sind. Die Chefin hat das natürlich etwas drastischer formuliert: „Wenn ich hier auf Männersuche wäre, bliebe ich mein Leben lang unbefriedigt.“

Beim Antrittsbesuch bei der Schwiegermutter sollte man übrigens sehr vorsichtig sein, denn die korrekte Anrede „Liebe Mama“ bedeutet bei falscher Aussprache dummerweise „Liebes Pferd“, was sicher nicht so freundlich aufgenommen wird.

 

Abschlussessen

Gestern waren wir mit unserem Projektteam hier schon zum Abschlussessen unseres ersten Aufenthalts. Im Lonely Planet klang das ganze nach einem eher traditionellen, aber sehr schön dekorierten Teehaus mit interessantem chinesischen Essen (unsere Chinesen mögen keine andere Küche). Was wir dann vorfanden war wirklich das aufregendste Restaurant, was Interior Design sowie Präsentation und Zubereitung der Speisen angeht, in dem ich je war. Ich empfehle deshalb wärmstens die Homepage www.greenteahouse.com.cn und dort besonders den Link „The Art of Dining“ mal anzuschauen.

Das waren sie also, die gesammelten Erlebnisse der ersten knapp drei Wochen in Peking. Wir fliegen morgen nun tatsächlich (ich glaube es erst, wenn ich im Flieger sitze, denn alle Pläne sind hier sehr vage) für eine kurze Verschnaufpause wieder nach Hause. Nächste Woche muss ich einen Workshop am Starnberger See moderieren (zwischen vielen Bäumen und nahe des Seeufers) und danach kann ich wahrscheinlich ein paar Tage frei nehmen, weil die Chinesen eine Woche Maiferien haben. Da trifft es sich gut, dass der Wetterbericht wieder freundlicher klingt.

 

Ich hoffe, ich hab Euch nicht mit zu vielen Informationen überwältigt und grüße herzlich aus der Ferne

Birgit

 

 

back

 

(c) www.schnupsi.de Donnerstag 23 Juli 2009