Blick aus dem Hotelfenster
 
Reiseberichte unterwegs in der Welt unterwegs in der Zeit

Woche 1 - 2. April 2004

Nach der 1. Arbeitswoche: Freitag 2. April 2004

 

Ja, auch in einer Millionenstadt kann man auffallen!

 

Ankommen

Wir sind gut in Peking angekommen und haben mittlerweile auch den Jetlag vollständig überstanden. Nur beim morgendlichen Jogging kommt noch ein komisches Gefühl auf, wenn auf dem Pulsmesser steht, dass es jetzt 0.45 Uhr ist. Leider mündet der anmutige Kanal hinter dem Hotel sehr schnell in eine überdimensionierte Baustelle. Überall werden hier alte, kleine Häuser abgerissen, um noch mehr neue, große Hochhäuser zu bauen. Die wachsende Pekinger Bevölkerung braucht eben Platz. Die Strecke muss definitiv noch optimiert werden.

 

Dafür ist das Frühstücksbuffet im Hotel aber nicht mehr optimierbar. Da gibt es wirklich alles, was man sich vorstellen könnte (sogar Schweizer Bircher Müsli) und noch viel mehr (japanische Sushi, chinesische Nudelsuppe, tibetanische Klösschen usw.).

Das Zimmer im Hotel ist ebenfalls wirklich luxuriös. Die Höhepunkte: Ein riesiges Bett mit einer richtigen Bettdecke (jipeeh), eine Badewanne und ein sich-öffnendes Fenster. Der Blick aus dem 11. Stock ist auch nett: jede Menge moderner Hochhäuser mit viel Leuchtreklame. Am Abend hört auch der Verkehr nach Einbruch der Dunkelheit abrupt auf, von Lärmbelästigung in der Großstadt also keine Spur. Für Notfälle gibt es um die Ecke auch einen Supermarkt, wo man für sehr viel Geld Schweizer Schokolade und deutsche Chips kaufen könnte.

 

Am Abend nutzen wir entweder das Hotel-Fitnessstudio oder die Bar. Die Cocktailpreise entsprechen eher Münchner Niveau mit 7,5 Euro. Das Studio hat eine tolle Aussicht auf die Hochhäuser, aber Laufbänder und Fahrradergometer sind nicht wirklich meine Lieblingssportgeräte und der Pool ist natürlich nicht wirklich von olympischer Größe (aber ein Schild weist darauf hin, dass Spucken dort verboten ist). Aber besser als gar kein Sport...

 

Das Wetter ist im Moment eigentlich ganz gut. Meist scheint richtig die Sonne. Nur sehr warm ist es noch nicht. Laut der englischsprachigen Tageszeitung „China Daily“ hat es am vergangenen Wochenende hier starke Sandstürme gegeben. Heftige Winde ziehen dann von Sibirien über die mongolische Steppe und blasen den Pekingern ordentlich den Staub um die Ohren. Diese erste Attacke haben wir also glücklicherweise knapp verpasst.

 

Abenteuer Essen

Auch unsere ersten Bewährungsproben im chinesischen Restaurant haben wir gut bestanden. Zhang, unser Projektleiter, bestellte schon spannende Sachen wie Schweinezunge und Kamelfleisch. Zugegeben, so schlecht hat das nicht geschmeckt. Und selbst die langen chinesischen Nudeln haben wir mit den Stäbchen ganz gut essen können. Aber alle reden immer davon, dass wir unbedingt noch Schlange, Hund und Hühnerkrallen probieren müssen. Angeblich ist Schlangenfleisch sehr gut für schöne Haut. Mr. Zhang hat doch hoffentlich nicht auf meinen kleinen Pickel am Kinn geschaut, als er diesen Menüvorschlag unterbreitete...

 

Im Gegenzug haben wir versucht, ihn damit zu warnen, dass wir ihn im Rahmen des Workshops am Starnberger See ins Kloster Andechs mitnehmen würden, wo es ganz viel Bier und Schweinebeine (Haxn) gäbe. Das ging voll nach hinten los, denn Schweinebeinchen sind für Chinesen natürlich auch eine besondere Spezialität, die ebenfalls für irgendetwas besonders gut sei (was das war haben wir leider wieder vergessen).

Insgesamt drängt sich der Eindruck auf, dass man hier alles isst, weil es eine positive Auswirkung auf Gesundheit oder Schönheit hat. Dass Essen auch schmecken muss oder lecker aussehen sollte, ist wohl eher eine Nebensache. 

 

Abenteuer Taxi

Das größte Abenteuer sind definitiv die Taxi-Fahrten. Linksabbieger fahren grundsätzlich einfach mal los. Grüne Fußgängerampeln oder Fahrradstreifen werden einfach ignoriert. Die Spuren werden wahllos gewechselt und meist passen auch mehr als ein Fahrzeug auf eine Spur. Das Augenmass der Taxifahrer ist zum Glück aber extrem gut. Die haben wohl viel Erfahrung mit diesem Sich-Durch-Wuseln-Fahrstil. Die Taxifahrten ins Büro sind immer spannend. Jeden Tag fahren wir eine andere Strecke, aber der Preis pendelt sich so um die 1,50 Euro ein. Wir lernen schnell ein paar Worte Chinesisch, um Kommandos wie „nach recht“, „nach links“, „wir sind angekommen“ oder „eine Rechnung bitte“ geben zu können.

Die Fahrer sind übrigens durch einen Gitterkäfig geschützt. Auf Nachfrage erfuhren wir, dass sie damit gegen Raubüberfälle (durch Erwürgen mit Halsschlingen) geschützt sind. Die chinesischen Bösewichter haben wohl noch nichts von Messern oder Pistolen gehört, die locker durch die breiten Gitterstäbe passen würden....

 

Aber insgesamt wirkt Peking extrem sicher. Im Büro wird auch über Nacht kein Zimmer verschlossen und morgens sind immer noch alle PCs und Telefone vorhanden. Echte Gefahr geht höchstens von den ständig auf die Strasse spuckenden Taxifahrern aus. Wir halten unser Autofenster deshalb vorsichtshalber stets geschlossen.

In allen Reiseführern wurde ja immer die Verschmutzung öffentlicher Bereiche kritisiert. Das kann ich noch nicht nachvollziehen. Eigentlich sind die Strassen sehr sauber und auch die Grünflächen gepflegt. Aber spucken tun sie wirklich die Chinesen...

 

Auffallen unter Millionen

Im Büro ist auch alles sehr ok. Immerhin funktioniert das Internet. Die Projektleute sind froh, dass wir da sind und wir werden jeden Tag bestaunt: Die zwei großen Frauen, eine blond, eine schwarz, sind eben eine echte Attraktion. Im Büro kennen uns schon alle, den Firmenausweis mussten wir nur beim ersten Mal vorzeigen, und unser Projektleiter wird ständig angesprochen, welch exotischen Besuch er in seinem Büro beherbergt. Insgesamt sind wirklich alle ausgesprochen nett und charmant zu uns.

Ach ja, warum sind wir eigentlich hier? Wir sollen ein Projekt zum Thema „Marktstrategie für China“ machen. Aufgrund der großen Bevölkerung bietet das Land viel Potential an Telekommunikationskunden (China Unicom ist nach der Zahl der Handynutzer weltweit der zweitgrößte Mobilnetzbetreiber), trotzdem herrscht ein starker Kampf um die Marktanteile. Wir versuchen also zu erarbeiten, wie Siemens es schaffen könnte, neue Produkte schneller auf den Markt zu bringen, unsere Produkte billiger anbieten zu können und bessere Kundenbeziehungen zu pflegen. Und welche Leute mit welchen Kompetenzen wir dafür brauchen.

 

Mehr Neuigkeiten und die ersten Bilder gibt es dann kommende Woche, wenn wir auch was zu den kulturellen Highlights berichten können.

 

Viele Grüße aus Peking

Birgit

 

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(c) www.schnupsi.de Donnerstag 23 Juli 2009